Wer für eine Überbauung im Kanton Zürich Land einzonen möchte, braucht einen langen Atem. Weil die Mehrwertabgabe immer noch nicht umgesetzt ist, hat der Baudirektor ein Einzonungsverbot angeordnet, das auch Grossprojekte bremst.
Am Sonntag stimmt wir über die Zersiedelungsinitiative der Jungen Grünen ab. Deren zentrale Forderung war, dass kein Land mehr eingezont werden darf – also beispielsweise nicht aus Landwirtschaftsland Bauland werden darf –, erfüllt der Zürcher Baudirektor Markus Kägi (svp.) nun bereits frühzeitig. Er tut es allerdings nicht ganz freiwillig und nur auf Zeit. In einem Brief an die Gemeinden und an die regionalen Planungsverbände erlässt er, wie es das Bundesrecht vorsieht, ein Einzonungsverbot.
Frist läuft Ende April ab
Fünf Jahre haben die Kantone Zeit, die im revidierten eidgenössischen Raumplanungsgesetz vorgesehene Mehrwertabgabe umzusetzen. Wenn dies nicht innert Frist geschieht, dürfen in den betreffenden Kantonen keine Bauzonen mehr ausgeschieden werden. Das steht so in den Übergangsbestimmungen des Raumplanungsgesetzes, dessen Revision 2013 schweizweit mit einem Ja-Anteil von 63 Prozent gutgeheissen worden ist. Zürich liess sich Zeit für die Umsetzung – zu viel Zeit, wie jetzt klar wird. Erst Anfang 2018 präsentierte die Regierung ihre Vorlage, seit letztem März ist die Kommission für Planung und Bau des Kantonsrats an der Arbeit. Die Frist für die Regelung des Mehrwertausgleichs läuft nun aber Ende April ab. Schon heute stehe fest, dass sich das Einzonungsverbot per 1. Mai nicht mehr verhindern lasse, heisst es im Schreiben des Baudirektors. Die Beratungen in der Kommission seien «äusserst aufwendig und anspruchsvoll». Das neue Mehrwertausgleichsgesetz könne nicht mehr rechtzeitig in Kraft treten. Das Einzonungsverbot gilt so lange, bis das neue Gesetz in Kraft ist.
Man hatte erwartet, dass es zum Einzonungsstopp kommen dürfte. Dennoch sind Städte und Gemeinden jetzt überrascht von Kägis Schreiben – zum einen, weil es so früh kommt, zum andern, weil der Einzonungsstopp im Prinzip ab sofort seine Wirkung entfaltet. Vom 1. Mai an können Einzonungen nicht mehr genehmigt werden. Weil aber das vorgelagerte Genehmigungsverfahren auch seine Zeit braucht, ist absehbar, dass auch «Planungsvorlagen betroffen sein werden, die ab jetzt zur Genehmigung eingereicht werden». Und noch schlimmer: Selbst Planungen, die sich bereits im Genehmigungsprozess befinden, könnte die Bewilligung vorläufig verweigert werden. Immerhin würden die Gemeinden in einem solchen Fall vom Amt für Raumentwicklung direkt informiert.
Beim angekündigten Stopp geht es nur um Einzonungen, Um- und Aufzonungen sind nicht betroffen. Verboten ist also die Umwandlung von Landwirtschaftsland in Bauland. Erlaubt sind aber beispielsweise die Umwandlung einer Gewerbezone in eine Zone für öffentliche Bauten oder die Aufzonung einer Wohnzone W2 in eine Wohnzone W3. Auf welche Projekte sich der Einzonungsentscheid konkret auswirken wird, ist noch schwierig abzuschätzen. Betroffen sein werden aber zum Beispiel Entwicklungsgebiete in Bülach, wie Stadtpräsident Mark Eberli (evp.) auf Anfrage sagt. Es sei schon ärgerlich, dass der Regierungsrat seine Vorlage so spät auf die politische Reise geschickt habe. Wenn es jetzt dem Kantonsrat nicht gelinge, rasch eine mehrheitsfähige und auch für die Städte akzeptierbare Vorlage auszuarbeiten, drohe sogar das Referendum, und der Einzonungsstopp könnte die Entwicklung für Jahre behindern – was für den Wirtschaftsstandort Zürich sehr schädlich wäre.
Hochschulgebiet betroffen?
Nicht ausgeschlossen ist, dass selbst die Entwicklung des Zürcher Hochschulgebiets verzögert werden könnte. Nach einer ersten Prüfung sei das durchaus möglich, sagt Urs Spinner, Departementssekretär des Stadtzürcher Hochbaudepartements, auf Anfrage. Das Gebiet ist heute ein weisser Fleck im Zonenplan; es braucht aber, zusätzlich zu den kantonalen Gestaltungsplänen, eine städtische Grundordnung. Der Gemeinderat ist daran, diese zu schaffen, könnte nun aber gestoppt werden. Bei der kantonalen Baudirektion weiss man noch nicht definitiv, ob das so ist. Die Frage sei «noch zu klären», sagt Markus Pfanner von der Medienstelle. Im Kanton Zürich gab es schon von 2012 bis 2017 einen Einzonungsstopp. Verzögert wurden etwa Projekte in Adliswil (Dietlimoos-Moos) und Uster (Eschenbüel). Projekte dieser Grössenordnung, die diesmal blockiert würden, seien der Baudirektion nicht bekannt, sagt Pfanner.
Das sieht die Stadt Zürich anders, wie Urs Spinner sagt. Zum Beispiel könnte die riesige Wohnüberbauung an der Thurgauerstrasse betroffen sein, wo es Umwandlungen von der Freihaltezone in Zonen für öffentliche Bauten und in Wohnzonen braucht. Möglicherweise kommt es auch zu Verzögerungen bei den Planungen für das Sportzentrum Oerlikon, den Campus Irchel oder den ETH-Campus auf dem Hönggerberg. Auch Spinner findet es ärgerlich, dass die Sache so lange verzögert worden ist. Die Vorlage des Regierungsrats sei nicht nur zu spät gekommen, sondern auch zu kompliziert gewesen. Es sei ein Armutszeugnis, dass Zürich ein solches Gesetz nicht rechtzeitig in Kraft setzen könne.
Anders tönt es natürlich aus der kantonsrätlichen Kommission. Josef Wiederkehr (cvp.) beispielsweise findet, dass ein Schnellschuss bei diesem wichtigen Thema falsch wäre. Er sehe auf jeden Fall eine gewisse Hoffnung, dass man zu einer breit abgestützten Lösung beim neuen Gesetz kommen könne.
Adi Kälin, Text aus dem NZZ-E-Paper vom 09.02.2019