Alle wollen jetzt ein Häuschen auf dem Land

Was hinter der Schlagzeile «Stadtflucht wegen Corona» steckt

In den letzten Wochen haben zahlreiche Medien darüber berichtet, dass sich aufgrund der Corona-Pandemie viele Städter nach einem Leben auf dem Land sehnen. Es ist tatsächlich so, dass in den letzten vier Monaten die Immobilienportale in der Schweiz wie auch im umliegenden Ausland einen markanten Anstieg von Suchanfragen nach Wohneigentum auf dem Land verzeichneten. Auch die Miet- und Kaufpreise sind in ländlichen Regionen und vor allem in den Agglomerationen gestiegen. Doch es ist etwas zu einfach, dies lediglich mit «Stadtflucht wegen Corona» zu begründen. Was steckt denn sonst noch hinter diesem Trend?

Nachfrage übersteigt Angebot schon seit Längerem

Aufgrund des anhaltend tiefen Zinsniveaus übersteigt die Nachfrage das Angebot in den Zentren sowie in deren Agglomerationen bereits seit einiger Zeit. Dies führte auch 2019 wieder zu steigenden Miet- und Kaufpreisen für Objekte an zentralen Lagen. Gerade in Zürich kann man bereits seit einiger Zeit den Gegentrend zur früheren «Stadtflucht» beobachten. Das wachsende Interesse an zentralen Wohnlagen führte dazu, dass Wohnraum noch stärker zur Mangelware wurde und Preise entsprechend in die Höhe schnellten. Sie wurden damit für viele unbezahlbar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Wohnungssuchende ihre Suche schon seit einigen Jahren auch auf ländliche Gegenden ausweiten. Der Trend, von der Stadt aufs Land zu ziehen, um mehr Wohnfläche zur Verfügung zu haben oder sich den Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen, gab es also schon vor der Corona-Pandemie.

Die Erfahrungen aus dem Lockdown wirken als Katalysator

Während des Corona-Lockdowns waren viele Städter buchstäblich in ihren eigenen vier Wänden gefangen. Auf dem Land hingegen hatten deutlich mehr Leute die Möglichkeit, Zeit in ihrem Garten oder auf einem grossen Balkon zu verbringen. Die Zeit zu Hause hat sicherlich viele Städter dazu veranlasst, ihre Prioritäten bei der Wahl ihres Wohnorts zu überdenken. Waren vor der Pandemie die Nähe zum Arbeitsort und das kulturelle Angebot von grosser Bedeutung, empfinden heute viele den Dichtestress und den fehlenden Umschwung als eine Minderung der Lebensqualität. Und die Erkenntnis, dass die Bedeutung von Homeoffice in vielen Berufen zunehmen wird, trägt das ihre dazu bei, dass sich für viele Menschen ganz neue Perspektiven bei der Immobiliensuche eröffnen. Denn wenn das lästige Pendeln in überfüllten Zügen wegfällt, können sich viele Menschen gut vorstellen, ausserhalb der Zentren zu wohnen. Dennoch zeigt sich, dass die Suche auf dem Land nicht selten dem Mangel an Angeboten in der Stadt oder in der Agglomeration geschuldet ist.

«De Föifer und s’Weggli» – Wohnen mit Umschwung in der Stadt

Es zeigt sich, dass  Wohnungen und Häuser in der Stadt, die über 4,5 bis 6 Zimmer sowie über einen Balkon oder Garten verfügen, die absoluten Wunschkandidaten vieler Suchenden sind. Da sich diese Art von Immobilien aber bereits vor der Corona-Pandemie grosser Beliebtheit erfreute, stiegen deren Preise in den letzten Jahren kontinuierlich an. Für die Wohnungs- oder Eigenheimsuche in der Stadt kommt erschwerend hinzu, dass grosse Ballungs-zentren wie Zürich im Moment sehr tiefe Leerstandsquoten aufweisen. Wer also zeitnah ein neues Zuhause sucht, wird seinen Suchradius schnell auch auf ländlichere Gegenden ausweiten.

Kommt mit der Rezession der grosse Stillstand?

Viele Berichte zur «Corona-bedingten Stadtflucht» vertreten die These, dass es sich hier um ein temporäres Phänomen handelt: Der Lockdown habe romantische Vorstellungen vom Landleben nur vorübergehend verstärkt. Während viele Experten tatsächlich von einer temporären Erscheinung ausgehen – wie man sie bereits bei ähnlichen historischen Ereignissen sehen konnte – zeichnen viele Finanzexperten dunkle Wolken an den «Immobilienhimmel». Ihrer Meinung nach hängt die prognostizierte Rezession wie ein Damoklesschwert über der Wirtschaft. Obwohl einige Finanzexperten davon ausgehen, dass gerade Verkaufsflächen und Luxusimmobilien (Immobilien-Studie der UBS vom März 2020) eine massive Wertberei-nigung erfahren dürften, sehen wir den kommenden Monaten weniger pessimistisch entgegen. Solange die Börsenkurse weiter steigen, dürften sich auch einige Bereiche der Wirtschaft sowie Anlagewerte wie Gold und Immobilien einer grossen Nachfrage erfreuen. Denn ebenso wahrscheinlich wie die negativen Szenarien ist das Szenario, dass die Prioritäten sich von Konsum- auf Sachwerte verschieben. Dieses Szenario, im Zusammenspiel mit der kommenden Teuerung, dürfte die Preise für Sachwerte weiter in die Höhe schnellen lassen.