Die Villa am Suvrettahang, die Eigentumswohnung an der Via Tinus oder das alte Engadiner Haus im Gebiet Dimlej: Selbst wer sich eine solche Immobilie leisten könnte, wird sie kaum kaufen können. Der Grund: Solche Liegenschaften kommen praktisch nicht mehr auf den Markt. Was noch zu haben war, wurde in den letzten beiden Jahren verkauft. Und: «Wer eine grössere und teurere Liegenschaft besitzt, sieht keinen Grund, diese zu verkaufen. Der Markt ist komplett ausgetrocknet.» Das sagte Franco Giovanoli, Leiter der Geschäftsstelle St. Moritz von Ginesta Immobilien, kürzlich an einem Anlass.
Normalisierung der Nachfrage
Allerdings ist auch im Oberengadin ein Rückgang der Immobiliennachfrage festzustellen. «Nach Corona musste mittelfristig damit gerechnet werden, was jetzt passiert, ist eine Normalisierung auf einem guten Nachfrageniveau.» In seiner Verkaufstätigkeit stellt Giovanoli fest, dass die, die jetzt ein Objekt suchen, dies gezielt tun und es rasch zu einem Abschluss kommt. «Insgesamt wird der Immobilienmarkt in der Region aber weiterhin gut bleiben», bilanzierte Giovanoli. Will heissen, der Nachfrageüberhang bleibt bestehen und die Transaktionspreise dürften auch in den kommenden Monaten hoch bleiben.
und weiter leicht ansteigen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 haben die Preise für Immobilien je nach Gemeinde im Oberengadin von circa 20 bis zu 40 Prozent zugelegt.
Nach oben gibt es kaum Grenzen
Wenn das Oberengadin in Sachen Immobiliennachfrage kantonsweit das Mass aller Dinge bleibt, dann gilt das insbesondere auch für St. Moritz. Der kürzlich dieser Zeitung beigelegte Marktbericht 2023 zeigt, dass hier die höchsten Preise im Kanton, ja in der ganzen Deutschschweiz gezahlt werden. Konkret: Gehobene Eigentumswohnungen kosten bis zu 25 000 Franken pro Quadratmeter Wohnfläche, luxuriöse Objekte kosten mehr als 30 000 Franken und in den bevorzugten Wohnlagen werden auch schon mal 55 000 Franken bezahlt. Eine der beliebtesten Villengegenden in der ganzen Schweiz ist der Suvrettahang. Wer hier ein luxuriöses Anwesen erwerben will, muss - sofern er denn fündig wird - schon mal mit 75 000 Franken pro Quadratmeter rechnen. Etwas moderater sind die Preise in St. Moritz Bad und Champfèr mit rund 20 000 Franken für einen gehobenen Standard. Ähnlich ist das Niveau in den Gemeinden rund um St. Moritz, während sich in der Plaiv die Preise zwischen 12 000 und 17 000 Franken bewegen.
Teurere Finanzierung
Gastreferent Andrea Ammann von Wüest Partner aus Zürich ging in seinen Ausführungen auf das allgemeine Umfeld für den Schweizer Immobilienmarkt
ein. Ein Thema, welches im zu Ende gehenden Jahr beschäftigt hat, ist die Wende bei den Zinsen. Diese ist sehr deutlich ausgefallen. Lagen die Leitzinsen der Nationalbank noch vor Jahresfrist bei minus 0,75 Prozent, sind sie seither auf plus ein Prozent geklettert. Weil sich dementsprechend auch die Hypothekarzinse erhöht haben, treffen Käuferinnen und Käufer heute ein ganz anderes Finanzierungsumfeld an. «Bei einem solch starken Zinsanstieg müsste es eigentlich auf dem Immobilienmarkt zu einem Preissturz kommen. Erstaunlicherweise sind die Preise bei einer leicht tieferen Nachfrage aber stabil geblieben», sagte Ammann.
Geringe Bautätigkeit
Er sieht dafür verschiedene Gründe. Zum einen ist der Schweizer Arbeitsmarkt nach wie vor dynamisch unterwegs. Es gibt viele offene Stellen, die vermehrt auch durch ausländische Arbeitnehmer besetzt werden müssen, was die Nachfrage nach Wohnraum erhöht. Zum anderen sind die wirtschaftlichen Aussichten zwar etwas verhalten, das Inflationsniveau in der Schweiz ist aber gegenüber dem Ausland immer noch tief, was den Immobilienmarkt stützt. Und schliesslich ist die Neubautätigkeit seit mehreren Jahren schon rückläufig, das heisst, es kommen zu wenig neue Wohnungen
auf den Markt, um die hoche Nachfrage auffangen zu können.
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Eine stabil hohe Nachfrage trifft auf einen ausgetrockneten Markt: Immobilien im Engadin bleiben teuer, St. Moritz belegt kantonsweit den Spitzenrang. Daran dürfte sich so rasch nichts ändern.