Interview zum aktuellen Immobilienmarkt
(NZZ am Sonntag / Residence) 10.09.2017

Für Claude Ginesta, CEO von Ginesta Immobilien, sind viele der angebotenen Immobilien zu gross, zu teuer oder nicht schön genug. Nur gute Objekte erzielen gute Preise

Residence: Herr Ginesta, Sie sind dank Ihrer Tätigkeit nahe am Markt. Wie läuft es rund um den Zürichsee?

Claude Ginesta: Wohnimmobilien sind im Wirtschaftsraum Zürich, in der Stadt und an den beiden Seeseiten unverändert stark gesucht. Vor allem das mittlere Segment läuft gut, günstigere Wohnungen ohnehin. Bei Marktanalysen halte ich es für ratsam, nach Marktsegmenten und Zeiträumen zu differenzieren. Nehmen wir die Periode seit 2000: Die drei wichtigsten Preissegmente haben sich etwa gleich entwickelt, auch wenn es zwischendurch grössere Schwankungen gab. Auch heute verläuft die Entwicklung in den Segmenten mehr oder weniger im Gleichschritt.

Im Luxussegment ist die Luft aber dünner geworden. Worauf führen Sie das zurück?

Nach den überproportionalen Preissteigerungen in den Jahren 2009 bis 2013 entweicht nun etwas Luft aus der Blase. Im letzten Jahr gingen im Grossraum Zürich die Preise in diesem Segment um etwa 9 Prozent zurück, für dieses Jahr rechne ich mit einer Stagnation. An anderen Orten, die noch grössere Zuwächse erlebt haben, gehen die Preise noch weiter zurück. Das sieht man am Genfersee, in Gstaad oder im Engadin.

Ihr Unternehmen ist auch in Graubünden tätig. Zweitwohnungen haben es derzeit schwer. Weshalb?

Auch hier gilt es zu segmentieren. Vergleichsweise günstige Objekte bis etwa 1,2 Millionen Franken in beliebten Orten wie Flims/Laax verkaufen sich sehr gut. Die Nachfrage im Inland ist dafür sehr robust. Bei exklusiven, sehr teuren Liegenschaften brauchen Verkäufer dagegen Geduld und müssen bei der Preisvorstellung Kompromisse eingehen. Phantasiepreise mag heute niemand mehr bezahlen. Neben den Folgen der Zweitwohnungsinitiative, vor allem dem Bauboom kurz nach der Abstimmung, ist die Zurückhaltung von ausländischen Käufern inzwischen deutlich zu spüren.

Was sind die Gründe dafür?

Die Wechselkurse spielen eine wichtige Rolle. Für Käufer aus Grossbritannien etwa ist die Schweiz seit 2010 rund 40 Prozent teurer geworden. Der russische Rubel hat sich sogar um 100 Prozent abgewertet. Hinzu kommt der automatische Informationsaustausch in Steuerfragen – es fliesst kein Schwarzgeld mehr in Ferienimmobilien.

Die Vermarktung von Immobilien verändert sich. Was ist bei Ihnen wichtiger geworden?

Das eigene Kundennetzwerk und die Direktansprache. Wir führen sehr genau Buch darüber, woher die Kontakte und Interessenten kommen. Nur gut ein Fünftel findet den Weg zu uns über die grossen Immobilienplattformen. Zentral ist die Pflege der eigenen Datenbank. Als Makler muss man heute «Big Data» beherrschen.

Die Digitalisierung wird auch den Maklerberuf verändern. Wie halten Sie sich à jour?

Einmal im Jahr besuche ich in den USA eine Weiterbildungsveranstaltung für die Branche, an der die neusten Trends und Technologien präsentiert werden. Wir experimentieren aber auch im eigenen Unternehmen mit neuen Anwendungen. So haben wir kürzlich eine neue 3DSoftware sowie eine Webplattform implementiert. In einem geschützten Datenraum können Investoren und Interessenten das Objekt vorab virtuell besichtigen. Dies gibt ihnen einen ersten Eindruck und ist vor allem bei weit entfernten Liegenschaften nützlich. Uns entlastet es bei der Organisation der Besichtigungen, und die Käufer können sich unnötige Besichtigungen ersparen.

Welche Faktoren entscheiden über den Erfolg beim Verkauf einer Liegenschaft?

Als Vermittler sollte man ehrlich sein und mit realistischen Preisen arbeiten. Im Zweifel nehme ich auch einmal ein Objekt nicht an, wenn keine Chancen auf einen Abschluss bestehen.

In Ihrem Kern-Rayon, der Goldküste am Zürichsee, werden gerade viele ältere Villen mit etwas Umschwung durch Mehrfamilienhäuser ersetzt. Wie wichtig ist Verdichtung?

Weil bestehendes Bauland knapp geworden ist und neues nicht mehr eingezont wird, kommen wir um die Verdichtung nicht herum. Nicht immer passt das zusätzliche Angebot zur Nachfrage, oft wurden zu grosse und zu teure Wohnungen erstellt. Gefragt sind jedoch vor allem kleinere und mittelgrosse Einheiten bis maximal 140 m2. In Städten wie Zürich soll und darf man künftig höher bauen oder um ein Geschoss aufstocken.

Viele der Neubauten werden als ästhetisch fragwürdig, als «Crèmeschnitten» bezeichnet.

Ich frage mich oft: Wann ist Architektur schön? Soll sich das Neue in das Gegebene einordnen, oder akzeptieren wir das Neue als zeitgenössischen Stil? Persönlich habe ich Mühe mit den rundum verglasten Aquarium-Häusern an gut einsehbaren Lagen. Der Mensch braucht Privatsphäre und damit Orte für Rückzug und Geborgenheit.

Die Politik greift vermehrt in den Immobilienmarkt ein. Was beschäftigt Sie gerade?

Gemeinsam mit anderen Unternehmen und dem Schweizerischen Verband der Immobilienwirtschaft SVIT setzen wir uns für eine steuerlich gerechte Bewertung der Liegenschaften und für die Abzugsmöglichkeit der effektiv bezahlten Maklerprovision ein. Letztere wird von den Behörden im Kanton Zürich oft nicht vollständig berücksichtigt. Was uns schon lange beschäftigt, ist die Lex Koller. Eine Verschärfung, wie sie der Bundesrat vorschlägt, ist derzeit ebenso wenig mehrheitsfähig wie eine Aufhebung. Ich bin der Ansicht, dass, wer sich hier niederlassen will, auch eine Immobilie erwerben darf. Die geltenden Beschränkungen halte ich für angemessen.

Interview: David Strohm

Hier geht es zur PDF Version des Interviews in der NZZ Residence 03/2017