Neues Bauland braucht die Schweiz

Als täglicher und stark involvierter Beobachter des Schweizer Immobilienmarktes erachte ich es als meine Aufgabe, dann und wann pointiert auf Missstände aufmerksam zu machen, die leider im Falle des fehlenden Wohnraumes und permanent steigender Miet- und Kaufpreise hausgemacht sind. Denn wenn die Erstellung von Neubauten für den schweizerischen Mittelstand von links und rechts verhindert wird, bleibt dieser auf der Strecke und bezahlt die Rechnung. Die aktuellen Profiteure sind Geringverdiener, die ein Anrecht auf subventionierten Wohnraum haben, und sehr gut Betuchte, für die der Preis eine Nebenrolle spielt. 

Die Preise im Wohnungsmarkt steigen und das Gesetz von Angebot und Nachfrage ist aus dem Lot. Dafür gibt es viele Gründe. Wir beleuchten die Hintergründe dieses perfekten Sturms – der, wenn wir nicht aufmerksam bleiben und Verantwortung übernehmen, noch deutlich Fahrt aufnehmen wird.

Sturmwarnung 1: keine Lehren aus der Vergangenheit

Die Zweitwohnungsinitiative hat uns in den letzten Jahren gezeigt, wie Immobilienpreise reagieren, wenn bei starker Nachfrage das Angebot künstlich verknappt wird: Diese explodierten regelrecht, vor allem in den Jahren 2017 bis 2019, als gar nichts Neues gebaut wurde. Hat man die Lehren daraus gezogen und in den Ballungsgebieten mit hoher Nachfrage die Voraussetzungen geschaffen, damit das Angebot mit der Bevölkerung mitwachsen kann? Offensichtlich nein. 

Sturmwarnung 2: Es ist nicht die Zeit, Bauland rarzumachen 

Die Grünen haben mit Hilfe der SP in der Vergangenheit auf Bundes- und Kantonsebene verschiedene Kultur- und Agrarlandinitativen lanciert. Das ahnungslose Stimmvolk hat einige dieser toxischen Initiativen angenommen, ohne die Konsequenzen für die eigene Wohnsituation genauer zu kennen. So sind heute Kantone mit wenig Bevölkerungswachstum vom Bund angewiesen, Auszonungen für nicht innert zehn bis fünfzehn Jahren benötigtes Bauland zu vollziehen. Davon betroffen sind Kantone wie Graubünden oder das Wallis, die beide zum Leidwesen der Lokalbevölkerung durch das Zweitwohnungsgesetz enorme Preissteigerungen zu verzeichnen hatten. Aber auch ländliche Kantone wie der Thurgau müssen Bauland auszonen, um das Angebot zu verknappen. Die Idee der Vorlage war, dass man haushälterischer mit bestehendem Bauland umgeht und dieses intensiver nutzt. Das hört sich in der Theorie und auf Abstimmungsplakaten gut an, entspricht aber weder der Realität noch den Bedürfnissen einer stetig wachsenden Bevölkerung. 

Neu kam vor einigen Jahren ISOS auf die Bühne, das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung. ISOS war ursprünglich nur für Bundesbauten vorgesehen. Ein Steilpass zur «Verballenbergisierung» der Schweiz, die ohne das Stimmvolk durch die Hintertür hereingekommen ist, um klammheimlich bleiben zu wollen. Und vor allem ein Steilpass, den talentierte Heimatschützer genutzt haben, um die meisten Städte und Gemeinden zu inventarisieren und sie in Schutzstufen einzuteilen. So haben einige windige Richter ISOS mit fragwürdigen Entscheidungen auf private Bauten ausgeweitet. Und das alles, ohne dass die Eigentümer eine Möglichkeit hatten, diesen plötzlich verhängten Schutzstatus anzufechten. Nun sind also auf einmal auch private Bauten vom Ortsbildschutz betroffen – und kleine Häuser in viergeschossigen Wohnzonen können nicht abgerissen werden, um neuem Wohnraum Platz zu machen, da die geschichtliche Bedeutung zum Beispiel von «Vorgärten, in denen im Krieg Obst zur Selbstversorgung gepflanzt wurde», wichtiger ist als die Verdichtung. Der Schutz eines Ortsbildes steht plötzlich über der Aufzonung und der Verdichtung, also der besseren Nutzung bestehender Bauzonen. 

Wie weit die Hintertür für ISOS ohne Wissen der Bevölkerung geöffnet ist, zeigt das Vorgehen der Stadt Zürich im Jahr 2018, als man dem Heimatschutz die Zusage machte, ISOS in der nächsten Gesamtrevision der Bauzonenordnung zu berücksichtigen, wenn dieser eine gewichtige Blockade bei der Einführung der aktuellen Bauzonenordnung fallen lasse. Erpressung, Vetternwirtschaft oder linksgrünes Gemauschel: Egal, wie man es nennen will, neuer Wohnraum wird damit in jedem Fall verhindert – ohne Volksabstimmung, ohne ausreichend Gegenwind, ohne Medien, die die Bevölkerung darauf aufmerksam machen.

Weiter wurde auf Bundesebene das Raumplanungsgesetz geändert und Kantone müssen einen Mehrwert für Einzonungen verlangen. Je nach Region sind 20 bis 40 Prozent Mehrwertabgabe fällig. Eine Massnahme, die Bauland weiter verteuert. Da diese Regelung nicht genügend rasch von allen Kantonen umgesetzt wurde, hat der Bund 2019 in den Kantonen Zürich, Zug, Schwyz, Luzern und Genf wegen nicht vorhandener Mehrwertabschöpfung einen Einzonungsstopp verfügt. Nochmals acht Kantone wurden vor einem Verbot gewarnt, weil sie ihre Richtpläne nicht rechtzeitig angepasst haben, und weitere Kantone haben strenge Auflagen erhalten. Der Jura, das Wallis und Baselland mussten ihre Richtpläne stark anpassen und dem Bund aufzeigen, wie sie mit einem radikalen Rückzonungsprogramm eine höhere Bauzonenauslastung erreichen wollen. 

Sie lesen richtig: Man hat in den letzten Jahren Kantone mit hohem Bevölkerungswachstum daran gehindert, neue Bauzonen zu schaffen. Kantone mit wenig Bevölkerungswachstum hat man angehalten, vorhandenes Bauland zu eliminieren. 

Sturmwarnung 3: Links und Rechts stellen den Stimmenfang über die Problemlösung

Die Linken und Grünen wollen die Landschaft schützen, genauso wie die Ortsbilder. Sie möchten möglichst wenig Bauland zulassen und trotzdem günstigen wie auch subventionierten Wohnraum schaffen. Die bürgerlichen Politiker setzen die Raumplanung nicht zuoberst auf ihre Agenda und zeigen zu wenig auf die Missbräuche von Verbänden wie Heimatschutz und VCS, die mit ihren Beschwerden das Bauen oft verunmöglichen. Weiter warnen sie die Bevölkerung bei linken Initiativen zu wenig vor den Folgen und lancieren selber keine bürgerlichen Initiativen, um die Raumplanung in eine andere Richtung zu lenken. 
Hier einige solcher Beispiele, bei denen ein Teil der Politik wenig weitsichtig agiert und der andere Teil teilnahmslos am Spielfeldrand steht. Was aber niemandem wirklich auffällt, denn die Medien haben sich bei den Themen freigenommen. 

Beispiel 1: Die Alternative Liste hat letzthin in Zürich der linken Stadtregierung einen bösen Streich gespielt: Die SBB wollten mit der Stadt Zürich 375 Wohnungen in der City bauen. Das Projekt Neugasse sah sogar einen grossen Anteil gemeinnütziger und subventionierter Wohnungen vor. Doch die Alternative Liste hat das Projekt mit einer Initiative versenkt, die forderte, dass man die Liegenschaft den SBB abkaufen und daraus ausschliesslich gemeinnützige Wohnungen machen solle. Etwas naiv war die Initiative der Alternativen Liste schon, denn ein Verkauf des Grundstücks stand seitens der SBB gar nicht zur Diskussion. Folglich hat sich der Investor SBB zurückgezogen. Das Resultat: Es fehlen nun 375 Wohnungen in der Innenstadt. Auch das ohne Aufschrei der Bevölkerung, die sich so verhält, als würde sie das gar nicht persönlich betreffen, wenn das Angebot-Nachfrage-Gefüge durch solche Bauverhinderungen mehr und mehr ins Wanken gerät.  

Beispiel 2: Die Stadt Zürich kauft derzeit für über 400 Millionen Franken völlig überteuerte Wohnhäuser in der Stadt auf, um sie in Sozialwohnungen zu verwandeln. Und dies in der aktuellen Zinslandschaft, wo man von eher sinkender Wertentwicklung ausgeht. Leidtragende sind Investoren und Private, die diese übersetzten Häuserpreise nicht bezahlen können. Bereits sind rund 30 Prozent der Wohnungen in der Stadt staatlich subventioniert oder in der Hand von Genossenschaften. Der Mittelstand profitiert leider nicht von dieser Entwicklung und wird zunehmend aus der Stadt verdrängt (lesen Sie dazu auch den gleichnamigen Artikel). Die Reichen verlassen die Stadt freiwillig, denn das alles wirkt sich auch auf die sowieso schon hohe Steuerlast aus, mit der man für das Wohnen in der Stadt bestraft wird. So verbleiben in der Stadt die vielen Wunschwähler der linksgrünen Stadtregierung, die so auf Jahrzehnte für eine solide und mehrheitsfähige Wählerbasis in Zürich sorgen. Auch hier: Ein angebrachtes Murren des Mittelstandes, der seinen Wohnsuchradius bereits um viele Kilometer in alle Richtungen hat erweitern müssen, ist nicht wirklich hörbar.
   
Beispiel 3: In einer Zürcher Agglomerationsgemeinde hat ein Investor eine Wohnüberbauung in der Nähe einer Freihalte- und Landwirtschaftszone geplant und nicht dargelegt, dass mit der Erstellung keine Kleinstlebewesen auf der grünen Baulandwiese bedroht sind. Grüne Nachbarn haben das Baugesuch erfolgreich bekämpft, weil der Artenschutz nicht genügend nachgewiesen wurde. 

Angeheizt wird diese saure Suppe nicht selten durch fragwürdige Entscheide und Auflagen von Richtern und Baubehörden. Wie zum Beispiel rund um den Lärmschutz, der nicht nur Architekten fordert. Nämlich wenn in der Innenstadt plötzlich keine Balkone mehr geplant werden können. So werden wegen zu tiefer Lärmschutzwerte grosse Bauprojekte verunmöglicht. Verdichtung und Lärm sind für Grossstädte von Rio de Janeiro bis London, von Istanbul bis New York und von Paris bis Tokyo der Preis des Bevölkerungswachstums, des Lebens in einer Metropole und einfach die unabwendbare Realität. Nur bitte nicht in der «Ballenbergschweiz», die sich von Genf bis Kreuzlingen erstreckt. 

Die Folge: Die Anzahl Baubewilligungen und damit auch die Anzahl fertiggestellter Wohnungen gingen in den letzten Jahren deutlich zurück. Was bei genauer Betrachtung niemanden erstaunt, denn es fehlt an Bauland, an Baubewilligungen und an motivierten Investoren, die gegen die Windmühlen der Gesetze, Verbände, Nachbarn und Gerichte kämpfen wollen. So bezahlt die Schweizer Bevölkerung einen sehr hohen Immobilienpreis für das Totalversagen der Politik, fragwürdige Volksentscheide und die wunderlichen Neuinterpretationen bestehender Gesetze durch ein bisschen zu autonom agierende Richter. 

Sturmwarnung 4: Schlagworte werden stärker als Fakten

Die hohe Einwanderung gilt vor allem in Kreisen der SVP als Bedrohung, die es abzuwenden gilt. Dass diese eine Folge der guten Wirtschaftssituation ist, wird von der Partei gerne totgeschwiegen. Die Vollbeschäftigung, das Wirtschaftswachstum ohne rezessive Tendenzen wie im benachbarten Ausland und der damit verbundene Wohlstand hängen direkt mit der zu unserem Glück vorhandenen Einwanderung zusammen. So entsteht durch die Zuwanderung Bedarf an neuem Wohnraum, der benötigt wird, um die Schweiz weiterhin so gut am Laufen zu halten. 

Weiterer Bedarf ist entstanden durch den erhöhten Platzbedarf pro Einwohner: Corona und das Homeoffice sowie höhere Einkommen und Vermögen haben die Ansprüche in die Höhe getrieben. 

Zusammengefasst: Wir werden immer mehr. Und jeder Einzelne will immer mehr. Diese Kombination von steigender Bevölkerung und erhöhtem Platzbedarf wird zu einem fast exponentiellen, sicher toxischen Wachstum führen. Daran ist niemand schuld, jegliche Fremdenfeindlichkeit ist verfehlt und diese Entwicklung sollte ebenfalls einfach als Realität akzeptiert werden. Zudem stellt das alles gar kein Problem dar, denn die Schweiz böte ausreichend Wohnbauland, würde es nicht unnötig und künstlich so verknappt, wie das heute der Fall ist.

Die Rettungsweste für diesen Immobiliensturm: die rasche Einzonung von Bauland

Die logische Folge bei zu wenig Angebot und hoher Nachfrage, sogar noch mit zunehmenden Tendenzen, sind stark steigende Immobilienpreise und Mieten. Der Ausweg ist offensichtlich: Es muss deutlich mehr Bauland eingezont werden – und zwar rasch. 

Dafür müssen Gesetze zeitnah geändert werden und linke wie rechte Politiker müssen zusammenspannen, um dem Volk neue Initiativen vorzulegen, die zu bezahlbarem Wohnraum vor allem in den Ballungsgebieten führen. Denn die Schweiz hat genügend Regionen und Gebiete, wo das Ortsbild geschützt werden kann, wo man die Vögel zwitschern hört und wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. 

Weiter muss das Verbandsbeschwerderecht sinnvoll eingegrenzt werden und die ISOS-Ortsbildschützer sollen in bevölkerungsreichen Gebieten nicht weiter aktiv sein dürfen. Das Volk soll zudem endlich darüber abstimmen können, ob ISOS überhaupt legitim und erwünscht ist. 

Ohne Rettungsweste weitersegeln? Keine gute Idee

Geht es weiterhin um parteipolitische Gefechte statt gemeinsame Lösungen und folgen noch einmal fünf Jahre politischen und raumplanerischen Versagens, werden die sich heute abzeichnenden Verwerfungen in der soziodemografischen Struktur sichtbar. Sozialer Unfrieden, vor allem in einer Stadt wie Zürich, in der man besser nicht allzu viel verdient, um eine Wohnung zu erhalten, wird unumgänglich sein.

Darum: Augen auf bei Abstimmungen und Wahlen

Diese Entwicklungen betreffen ausser einigen wenigen weit unten oder oben in der Vermögens- und Einkommensstatistik alle. Wird auf kommunaler, kantonaler oder nationaler Ebene durch einen Entscheid die Entstehung von neuem Wohnraum verhindert, sollte man das persönlich nehmen und entsprechend anders abstimmen. Denn man wird das irgendwann zu spüren bekommen. Entweder beim Abschluss des nächsten Mietvertrages oder auch, wenn man später einmal feststellen muss, dass das Geld beim Verkauf seines Hauses kaum reicht, um sich die altersgerechte und etwas zentraler gelegene Neubauwohnung zu leisten. Und bei Wahlen sollten nur Kandidaten auf die Liste, die Wohnraum für alle und nicht nur für eine Minderheit propagieren und fördern.