Preisentwicklung, Politik, Problemfelder, Perspektiven
 

Der Winter steht vor der Tür und viele Menschen hören bereits den Ruf der Berge, freuen sich auf ihre Tage im Schnee und auf der Piste. Einige Glückliche leben bereits im Bündnerland, nicht wenige Unterländer überlegen sich den Kauf eines Feriendomizils und manche ziehen vielleicht sogar einen Umzug in Betracht. Erfahren Sie in diesem Artikel, was im Kanton Graubünden die aktuellen Entwicklungen und Diskussionen, die anstehenden Herausforderungen und die Perspektiven sind.

Anlässlich des von newhome.ch, eines der führenden Immobilienportale der Schweiz, präsentierten «Immo Talk Graubünden» vom 4. Oktober 2023 haben die drei Immobilien- und Finanzierungsspezialisten Sascha Ginesta von Ginesta Immobilien, Martin Gartmann von der Graubündner Kantonalbank und Claudio Quinter vom Hauseigentümerverband Graubünden den Immobilienmarkt unter die Lupe genommen.

Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:

Der Erst- und Zweitwohnungsmarkt

Nur wenige Gemeinden wie die Regionen Chur und Imboden, das Churer Rheintal und Teile des Domleschg sind von der Zweitwohnungsinitiative nicht betroffen. Nur in diesen können weiterhin frei Ferienliegenschaften erstellt werden. In allen anderen Gemeinden mit bereits mehr als zwanzig Prozent Ferienliegenschaften ist eine entsprechende Bautätigkeit nur mit Auflagen möglich. Erstwohnsitze dürfen dort, sofern es die Raumplanung zulässt, natürlich weiterhin erstellt werden.


Quelle: Swisstopo, ARE

Die Angebotssituation

Seit Inkrafttreten der Zweitwohnungsinitiative im Jahr 2013 ist die Bautätigkeit in den Ferienwohnungsgemeinden stark zurückgegangen, etwa auf einen Drittel. Der Rückgang ist – wie in der ganzen Schweiz – auch im Bereich der Erstwohnsitze zurückgegangen, wenn auch nicht im gleichen Ausmass. Wichtiger Indikator, was das auf der Angebotsseite bedeutet, ist die Leerstandsentwicklung. Und dieser Leerstand ist aktuell mit durchschnittlich 0.6 Prozent auf bedrohlich tiefem Niveau.

Die Nachfragesituation

Diese steht in Erstwohnregionen in direkter Korrelation mit der Bevölkerungsentwicklung. Die Tourismusgemeinden haben sich im gesamtschweizerischen Vergleich unterdurchschnittlich entwickelt, was auch mit der Verdrängung durch fremde, hohe Kaufkraft zu tun hat, die den Immobilienmarkt leerkauft, ohne sich dort niederzulassen. Neben diesen Käufern von Zweitwohnungen kam in den letzten Jahren COVID und der anhaltende Negativzins dazu, die die Nachfrage bis ins Frühjahr 2023 geprägt haben. Mit dem Ende der Pandemie und den Zinserhöhungen hat sich die Situation wieder auf dem Stand von 2020 eingependelt. Was heute anders ist als noch vor drei Jahren: Das Angebot ist aufgrund der geringen Bautätigkeit noch kleiner. Die Region Chur als attraktives Wirtschaftsgebiet hingegen erlebt eine stetige Bevölkerungszunahme mit in gleichem Umfang gestiegener Nachfrage nach Wohnraum.


Quelle: Realmatch360, Kauf Wohnung

Die Preisentwicklung

Das reduzierte Angebot, die tiefe Bautätigkeit und die Nachfrage haben einen eindrücklichen Einfluss auf die Preisentwicklung. So sind diese Preise überall deutlich gestiegen, in den Tourismusgemeinden nochmals stärker. Hier wurde teilweise in den letzten drei Jahren ein Preisanstieg von bis zu dreissig Prozent verzeichnet. In diesen Tourismusregionen hat das auch die Erstwohnungen deutlich verteuert. Wie in den von der Zweitwohnungsinitiative betroffenen Gemeinden festgestellt wurde, entwickeln sich nämlich beide Immobilienkategorien – altrechtliche Zweitwohnung und Erstwohnungen – im gleichen Ausmass, wenn auch nicht auf dem gleichen Niveau. Seit Herbst 2022 ist jedoch überall eine Marktberuhigung zu spüren und die Preise entwickeln sich vor allem seitlich, nur teilweise leicht nach oben. Da das Angebot aber weiterhin tief ist, ist damit zu rechnen, dass diese Preise mindestens gestützt bleiben.


Quelle: Wüest Partner

Die aktuellen politischen Vorstösse

Die Politik hat neben Angebot und Nachfrage natürlich ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung. Derzeit werden im Parlament auf Bundesebene folgende den Immobilienmarkt tangierende Geschäfte diskutiert:

  • Die sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien
  • Die Rechtsdurchsetzung im Mietrecht – Stichwort «Missbräuchliche Untermiete»
  • Die Aufhebung der schädlichen Beschränkungen des Zweitwohnungsgesetzes
  • Die Transparenz bei den Kaufpreisen von Immobilientransaktionen – Stichwort «Geldwäscherei»
  • Der Eigenmietwert und der Abzug von Kosten für Investitionen
  • Das Raumplanungsgesetz

Hinzu kommen diese parlamentarischen Vorstösse auf kantonaler Ebene:

  • Ein neuer Ansatz für Maiensässe ausserhalb der Bauzone
  • Der Aktionsplan Erstwohnraum
  • Die Lockerung des Zweitwohnungsgesetzes
  • Die Wohnbauförderung im Berggebiet
  • Der Aktionsplan für Elektroheizungen

Auf Gemeindeebene gibt es ebenfalls Vorstösse, die derzeit diskutiert werden. Hier einige Beispiele:

  • Bezahlbarer Wohnraum für Einheimische
  • Die Einführung einer Zweitwohnungssteuer oder Lenkungsabgaben
  • Die Kurzzeitvermietungen zum Beispiel über Airbnb
  • Der Wohnbauförderung für Familien

Das Raumplanungsgesetz RPG

Ein umfassendes Regelwerk, wie in der Schweiz mit dem verfügbaren Land umgegangen werden soll. Dieses besagt unter anderem, dass nur so viel Bauland eingezont sein darf, was dem nachweislichen Bedarf für die nächsten fünfzehn Jahre entspricht. Vermeintlich überschüssiges Bauland muss ausgezont werden. Ein heisses Thema, denn die meisten Gemeinden im Kanton Graubünden verfügen teilweise über hohe bereits eingezonte Reserven, denen dieses Schicksal droht. Und ein Thema, dass zu vielen Folgefragen führt wie zum Beispiel die Berechnungsgrundlage für den Baulandbedarf, die Entschädigungen bei Auszonungen, Bauverpflichtungen und die Innenverdichtung.


Quelle: Kartenherstellung: ARE Graubünden

Die Gefahr der Überregulierung

Investoren wird es heute aufgrund einer Vielzahl an Regulatorien von nationaler, kantonaler und kommunaler Seite schwer gemacht, innert nützlicher Frist die von Politik und Gesellschaft gewünschten Neubauten zu erstellen. Viele dieser aktuell laufenden Vorstösse und Diskussionen sorgen bei diesen für Verdruss und teilweise dazu, dass sinnvolle Projekte bereits in einer frühen Planungsphase wieder verworfen werden und nicht entstehen. Das führt neben dem teilweise nicht vorhandenen Bauland dazu, dass die Bautätigkeit nicht mit der Bevölkerungsentwicklung mithalten kann.

Last but not least: Die Finanzierung

Die gute Nachricht für Interessenten: Trotz Zinsanstieg ist bei den Hypotheken keine nachlassende Nachfragedynamik festzustellen. Der Markt spielt und wer heute kaufen will, für den haben sich die Möglichkeiten bei der Entwicklung der individuellen Finanzstrategie vergrössert, sind natürlich aber nach wie vor auf die persönlichen Gegebenheiten anzupassen.

Als kleine Erinnerung hier nochmals die allerwichtigsten Dinge rund um eine Finanzierung, die man wissen sollte:

  • Der Kaufpreis stellt nicht immer die Belehnungsbasis dar, da die Bewertung der Finanzinstitute tiefer ausfallen kann.
  • Aktuell wird für die Tragbarkeitsrechnung mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 4.5 bis 5 Prozent gerechnet.
  • Eine Hypothek ist innert fünfzehn Jahren auf zwei Drittel zu amortisieren.
  • Bei der geschickten zeitlichen Planung einer energetischen Sanierung kann mit Fördergeldern gerechnet werden, die Finanzierung kann vorteilhafter ausfallen und es ist eine substantielle Steuerersparnis möglich.

Das Fazit

Die grosse Herausforderung liegt heute im Kanton Graubünden und in der ganzen Schweiz darin, die Bautätigkeit wieder dahingehend zu fördern, dass diese mit der Bevölkerungsentwicklung und damit der Nachfrage am jeweiligen Ort mithalten kann. Denn nur so können sich die Märkte wieder beruhigen. So sind wir wie Sie sehr gespannt darauf, mit welchen Impulsen das soeben neugewählte Parlament dazu beitragen wird.

Wer sich noch tiefer mit dem Thema auseinandersetzen will, dem empfehlen wir das ganze einstündige Video dieses «Immo Talk Graubünden»