Am 1. Juli 2001 startete Claude als Mitarbeiter in der Einzelfirma seines Vaters André Ginesta, der damals die Firma in zweiter Generation führte. 2009 wurde daraus eine AG, Claude Miteigentümer und 2015 dann alleiniger Geschäftsführer. Filialen wurden eröffnet, man schloss sich renommierten internationalen Netzwerken an und erlebte ein schönes Wachstum in diesen 20 Jahren. Also ein idealer Zeitpunkt, gemeinsam zurück und nach vorne zu schauen.

Lieber Claude, erst einmal herzliche Gratulation zu diesem Jubiläum. 20 Jahre, eine lange Zeit. Kam sie dir so vor oder verging sie wie im Flug?
Die Zeit verging wie im Flug, obschon sie auch Spuren hinterlassen hat. So war ich noch einige Kilo leichter, als ich vor 20 Jahren zur Firma gestossen bin. Ich habe da wohl mehr Sport getrieben und die selbstgekochten Speisen waren weniger schmackhaft als die feine Küche meiner Frau.

Was ist im Immobilienbereich der grösste Unterschied zwischen 2001 und 2021?
2001 wurden Exposés noch per Post verschickt und die beim Fotografen entwickelten Fotos haben wir von Hand aufgeklebt. Zudem waren wir nur sechs oder sieben Angestellte und nicht wie heute 43 Mitarbeitende. Jede und jeder hat damals alles gemacht, heute arbeiten wir viel spezialisierter und im Team. 

Was war in dieser Zeit dein lustigstes Erlebnis während deinen unzähligen Besichtigungen?
Ich durfte einmal bei einem Objekt im Zürcher Oberland mit einer privaten Standseilbahn zur Liegenschaft fahren. Das Grundstück lag an einem steilen Hang, so dass der Besitzer eine eigene Seilbahn installierte.

Und welches das Ärgerlichste?
Da fällt mir gar nichts ein. Als Dienstleister muss man Rückschläge verkraften und ist immer wieder den verschiedenen Launen der Verkäuferschaft ausgeliefert. Ich verdränge generell negative Energien und konzentriere mich auf die Erfolgsgeschichten.

Was war die spektakulärste Liegenschaft, die du je verkauft hast?
Da fallen mir zwei Liegenschaften ein: Einerseits eine Liegenschaft am Suvretta-Hang, die damals einen der besten Preise im Marktgebiet und sogar in der Schweiz gelöst hat. Andererseits natürlich das Schloss Eugensberg, das mit rund 80 Hektaren eine der grössten Liegenschaften der Schweiz darstellt.

War auch je eine Liegenschaft dabei, die du später bereut hast, nicht selber gekauft zu haben?
Selbstverständlich. Da waren viele Liegenschaften, die man hätte selber kaufen sollen. Vor allem wenn man sich überlegt, wie sich die Preise seit 2001 verdoppelt wenn nicht gar verdreifacht haben. So müsste man sich über den einen oder anderen nicht getätigten Kauf heute sehr ärgern. Doch dann wäre ich befangen und könnte keine Liegenschaften verkaufen, die wir als Makler unseren Kunden zu bestmöglichen Preisen veräussern müssen.

Was war der beste Rat, den dir dein Vater mit auf den Weg mitgegeben hat?
Mein Vater hat mir schon früh geraten, meine Sporen ausserhalb des Betriebs abzuverdienen und so hat er mir auch mitgeteilt, dass er mich nicht vor dem 30. Altersjahr im Geschäft erwartet.

Gibt es auch Dinge, die du ganz anders gemacht hast als dein Vater?
Ja, mein Vater ist ein hervorragender Berater und hat sich ganz darauf konzentriert. Ich hingegen fokussiere auf die Geschäftsentwicklung, habe das Wachstum vorangetrieben und das Unternehmen in ein neues Zeitalter geführt. Dazu gehört die Ausweitung der Dienstleistungen und die Filialisierung, die inzwischen bei fünf Standorten angelangt ist. Wir wollen weiterhin jedes Jahr mindestens eine Dienstleistung oder einen neuen Standort entwickeln.

Was wäre aus dir geworden, wärst du nicht in eine Immobilienfamilie hineingeboren?
Ich habe schon mit 17 Jahren bei McKinsey für 17 Franken in der Stunde als Supporter gearbeitet und war damals sehr interessiert am Beratungsbusiness. So hätte ich ohne meinen Background alles getan, um bei einem grossen Unternehmensberater zu arbeiten.

Mit der Digitalisierung kamen neue Anbieter auf den Markt. Was hat das für Ginesta verändert?
Die Digitalisierung fordert uns alle und es kamen neue Anbieter sowohl im digitalen wie auch im analogen Bereich auf den Markt. Es sind aber auch diverse Anbieter verschwunden. Ich glaube, der stetige Wandel ist die einzige Konstante. Ginesta war jedoch immer gut darin, sich anzupassen und vorauszudenken. Erst vor einigen Tagen habe ich den Jahresbericht zuhanden des Verwaltungsrats mit den Änderungen und Innovationen 2020 verfasst. Ich war selber erstaunt, wie lang diese Liste alleine im Coronajahr 2020 ausfiel.

Auch die Maklerhonorare kamen mit diesen Anbietern unter Druck. Lohnt sich das Geschäft überhaupt noch?
Selbstverständlich lohnt sich das Geschäft nach wie vor. Allerdings ist es schon so, dass man heute ein verstärktes «Economy of Scale»-Modell fahren sollte und wir sind überzeugt, dass wir durch die Grösse eine bessere Relevanz und Marktpräsenz haben. Das wird in Zukunft weiter zunehmen. Heisst die Verkaufsvolumen werden steigen, die Provisionen jedoch kommen weiter unter Druck. Die neuen Systeme werden uns dabei unterstützen, dass wir trotz all diesen Veränderungen wie in den letzten 77 Jahren auch erfolgreiche Zahlen schreiben können.

Gibt es noch Regionen, in denen du mit Ginesta Immobilien ebenfalls präsent sein möchtest?
Wie erwähnt möchten wir jedes Jahr eine zusätzliche Dienstleistung anbieten oder eine neue Filiale eröffnen. Es gibt alleine in der Deutschschweiz noch viele Standorte, die wir erobern wollen. Im Moment planen wir eine Niederlassung in Winterthur und möchten von dort aus die Nordostschweiz erobern und auch weitere Standorte werden aktuell genau geprüft. 

Mit der Ginesta Immobilien Verwaltungen AG macht ihr auch Bewirtschaftungen. Ist die Erschliessung noch weiterer Bereiche geplant? Ginesta Baumanagement? Ginesta Finanzierungen?
Ginesta Immobilien hat nebst dem Schätzungsdesk auch eine Verwaltung und ist daher bestens gerüstet, um in Zukunft Portfoliomanagement-Dienstleistungen anzubieten. Wir können einerseits Erträge und Kosten von Liegenschaften optimieren und sie gleichzeitig bewerten. So können wir dem Kunden einen umfassenden Röntgenblick für die Rendite geben. Im Moment schliesse ich aus, dass wir selber bauen oder Finanzierungen sprechen, denn das passt nicht zu unserer DNA.

Und nun noch ein paar persönliche Fragen: Schaust du während einem romantischen Städtetrip mit deiner Frau in die Schaufenster der dortigen Immobilienmakler oder kannst du dir das auch einmal verkneifen? 
Erstaunlicherweise bin ich im Ausland nicht sonderlich an Immobilien interessiert. Ich schaue mir die Hefte dort kaum an oder stehe bei den lokalen Maklern vor den Schaufenstern. 

Woher kommt deine Faszination für die Energielehre Feng Shui?
Feng Shui ist nur darum für mich faszinierend, weil ich den Nutzen dieser Lehre 1:1 sehe und mit jedem weiteren Verkaufserfolg bestätigt werde, dass sie für den Immobilienverkauf von Vorteil ist. Leider sind nicht alle Verkäufer offen dafür. In diesen Fällen arbeiten wir oftmals im Hintergrund, um die Energien von Verkaufsobjekten zu optimieren.

Jugendstil oder Bauhaus?
Jugendstil

Penthouse-Wohnung beim Central Park oder Landhausvilla in den Hamptons?
Penthouse-Wohnung beim Central Park. Am Weekend sind die Hamptons aber auch keine schlechte Wahl …

Kannst du dir vorstellen, dass dein Unternehmen auch noch in die 4. Familiengeneration gehen wird?
Einerseits kann ich es mir vorstellen, andererseits glaube ich, dass man heute vermehrt partnerschaftliche Konzepte in Betracht ziehen und gute Leute langfristig an das Unternehmen binden sollte. Daher muss man das Unternehmen breit abstützen und gute Mitarbeiter mit Beteiligungsmöglichkeiten und attraktiven Konditionen binden.

Würdest du etwas anders machen, wenn du mit der Zeitreisemaschine nochmals zurück zum 1. Juli 2001 gehen könntest?
Ich hätte wohl jedes erhältliche Mehrfamilienhaus oder Bauland gekauft. Entwickler wie auch Mehrfamilienhausbesitzer hatten dank ihren Immobilieninvestments hervorragende Renditen und Wertsteigerungsmöglichkeiten. Wir als Makler haben von dieser Entwicklung nicht im gleichen Masse profitiert.

Zum Abschluss die naheliegende Frage: Wo wirst du in 20 Jahren stehen?
In 20 Jahren bin ich knapp 70 Jahre alt. Dann habe ich den CEO Job schon längst an den Nagel gehängt und verbringe mehr Zeit mit Reisen und beim Golfspielen. Vielleicht habe ich auch ein Ferienhaus im Ausland und bin nur noch für Zahnarztbesuche in der Schweiz. Ich werde die Firmennachfolge rechtzeitig in die Hand nehmen und das Fortbestehen des Unternehmens auch für die nächsten 97 Jahre sicherstellen.

Danke Claude. Und alles Gute für diese nächsten 20 Jahre.