Nach 30 Jahren bei einer Grossbank mit bis zu 30’000 Mitarbeitenden bin ich nun Teil eines kleineren Unternehmens mit rund 70 Kolleginnen und Kollegen. Der Wechsel war weniger intensiv, als man denken würde. Bei der Credit Suisse arbeitete ich in der Schweizer Einheit im Kreditmanagement. Insofern war es für mich dort auch ein überschaubarer Bereich, in dem ich mich wohlfühlte. Trotzdem ist es in einem KMU wie bei Ginesta familiärer, und die Wege sind wesentlich kürzer. Aber letztlich wird Kultur immer von den Menschen geprägt, die sie leben. Diese Erfahrung habe ich in beiden Welten gemacht und die gelebten Werte positiv empfunden.
Näher beim Kunden
Während meiner Zeit bei der Bank hatte ich situativ direkten Kontakt mit den Kunden. Als Kreditspezialistin führte ich ein Portfolio von Immobilienkunden beziehungsweise -investoren. Innerhalb der gegebenen Finanzierungsparameter und unter Berücksichtigung des Risikoappetits der Bank bot ich Finanzierungen an, die einerseits den Bedürfnissen des Kunden entsprachen und andererseits die Risiken der Bank berücksichtigten. Als Bewerterin erstellte ich Bewertungen für Anlageobjekte und selbst bewohntes Wohneigentum für bei der Bank finanzierte Liegenschaften oder für Finanzierungsanfragen. In dieser Rolle hatte ich, via den zuständigen Kundenberater, jeweils direkten Kundenkontakt.
Bei Ginesta ist das anders: Als Leiterin des Schätzungsdesks zeige ich Kunden den Marktwert ihrer Liegenschaft auf. Sie kontaktieren mich direkt, und ich begleite sie durch den gesamten Bewertungsprozess. Diese persönliche Nähe schätze ich sehr. Es ist nicht unbedingt emotionaler, aber direkter. Bei Bankkunden geht es ja schlussendlich auch um deren Bedürfnisse. Man bespricht den Wert einer Immobilie nicht nur aus der Ferne, sondern steht in engem Kontakt mit den Menschen, die die Immobilien besitzen. Das schafft Vertrauen und sorgt für mehr Transparenz.
Es spielt keine Rolle, ob ich von einem grossen Investor oder einer Privatperson beauftragt bin: Ich spreche immer mite einem Menschen.
Vor den Besichtigungen bereitet sich Helen Otto akribisch vor.
Bewertungen mit Hand und Fuss
Eine fundierte Immobilienbewertung erfordert mehr als nur Zahlen und Fakten. Es gibt zwar durchaus sehr gute digitale Bewertungsmodelle, die auf Transaktionsdaten basieren – die sogenannten hedonischen Modelle. Diese können für standardisierte Objekte wie Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäuser relativ genau sein. Doch oft muss man tiefer gehen. Jede Liegenschaft in Kombination mit dem Eigentümer ist ein Unikat, und nur durch die persönliche Besichtigung kann man erkennen, welche Details den Wert beeinflussen. Nach wie vor ist die Lage das wichtigste Kriterium für den Wert einer Immobilie. Grundsätzlich gilt es, das Gebäude selbst zu bewerten. Wie ist die Qualität des Baus, wie die Substanz? Hat man gute, nachhaltige Materialien gewählt? Wie sind die Nutzbarkeit und die Flexibilität des Gebäudes? Kann man es über Generationen hinweg nutzen? Immerhin hat ein Gebäude 100 bis 120 Jahre Lebenserwartung auf dem Bewertungshorizont. In dieser Zeit können sich die Anforderungen an eine Liegenschaft verändern. Passt das Gebäude zur restlichen Überbauungsstruktur? Oder ist es ein Fremdkörper? Und schliesslich: Wie hat es die Eigentümerschaft unterhalten? Alle diese Fragen gilt es zu beantworten. Deshalb braucht es immer noch den Menschen, der den endgültigen Wert hinterfragt und sicherstellt, dass alle Aspekte berücksichtigt werden.
Eine fundierte Immobilienbewertung erfordert mehr als nur Zahlen und Fakten.
Die Herausforderung
In meiner Tätigkeit als Immobilienbewerterin erlebe ich immer wieder, dass Kunden andere Vorstellungen vom Wert ihrer Immobilie haben, als es der Markt hergibt. Manche haben in Renovierungen investiert und erwarten, dass sich diese Einsätze eins zu eins im Wert widerspiegeln. Andere sind in einer emotional schwierigen Situation wie Todesfall, Erbschaft, Scheidung und hätten entsprechend gerne einen höheren oder tieferen Wert für ihr Eigentum. Es ist meine Aufgabe, den Kunden meine Bewertung zu erläutern. Es geht darum, ihre Erwartungen einerseits ernst zunehmen, aber dennoch eine neutrale, marktkonforme Einschätzung zu geben. Die Verantwortung, die Bewertung unabhängig von äusseren Einflüssen zu erstellen, trage ich mit dem Namen von Ginesta.
Der Wert der Erfahrung
In meiner Arbeit ist es wichtig, Fachwissen und Erfahrung zu kombinieren. Fast noch wichtiger aber ist meine Passion für Immobilien. Die Branche ist komplex und wandelbar. In meinen Regionen – Zürich, Winterthur, der Nordost- und Südostschweiz – kenne ich die Märkte gut. Doch auch nach vielen Jahren lernt man immer wieder dazu. Jede Liegenschaft ist anders, jeder Kunde hat seine eigenen Vorstellungen. Diese Vielfalt macht die Arbeit so spannend und erfordert gleichzeitig ein tiefes Verständnis für Architektur, Marktkenntnisse und die individuellen Besonderheiten jeder Immobilie. Dieses Verständnis bringe ich aufgrund meines Werdegangs mit einer KV-Banklehre, einer Lehre als Hochbauzeichnerin, einem Architekturstudium in Winterthur sowie dem eidgenössischen Fachausweis Immobilienbewerterin mit. Zudem verfüge ich über langjährige, vielseitige Berufserfahrung in der Immobilienbranche und fundiertes Know-how im Schätzungswesen.
Authentisch bleiben
Mir ist wichtig, dass ich möglichst authentisch bin und die Kunden ernst nehme. Ich beschränke mich auf meine Tätigkeit als Bewerterin und versuche, sie mit kompetenten fachlichen Fähigkeiten zu unterstützen. Ich muss mit den Kunden auf Augenhöhe kommunizieren, damit sie mich verstehen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, gelassen zu bleiben, selbst wenn ein Eigentümer eine andere Preisvorstellung hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich von einem grossen Investor oder einer Privatperson beauftragt bin: Ich spreche immer mit einem Menschen. Entsprechend wichtig ist in meinem Beruf Einfühlungsvermögen.
Blick in die Zukunft
Für Wohnungssuchende wird der Immobilienmarkt weiterhin sehr angespannt und für Investoren herausfordernd bleiben, wenn sich am jetzigen Set-up bzw. den Rahmenbedingungen nichts ändert. Selbst Wohnbauprojekte mit Familienwohnungen und Kostenmieten der öffentlichen Hand sind durch Einsprachen blockiert. Man müsste sich ernsthaft überlegen, was es braucht, um die Situation zu entschärfen. Trotzdem bleibt es eine der spannendsten Branchen. Auch die steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und die sich wandelnden Wohnbedürfnisse, besonders durch Trends wie Homeoffice und die demografische Entwicklung, werden den Markt in den kommenden Jahren prägen. Die Immobilienbranche entwickelt sich weiter. Deshalb ändert sich auch an meiner Passion für meinen Beruf nichts.
Helen Otto
Leiterin Schätzungsdesk
otto@ginesta.ch
+41 44 910 77 33