Das Zweitwohnungsgesetz: Die Auswirkungen

Sascha Ginesta befasst sich seit Jahren mit dem Zweitwohnungsmarkt. Er bestätigt, dass die Folgen der Zweitwohnungsinitiative in gewissen Regionen dramatisch werden. Für Käufer stehen kaum mehr Liegenschaften zur Auswahl.

Am 11. März 2012 hat das Schweizer Stimmvolk die Volksinitiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen» angenommen und somit  beschlossen, den Zweitwohnungsbau stark einzuschränken. Die Initiative verlangte, dass der Anteil von Zweitwohnungen in einer Gemeinde 20 Prozent  nicht überschreiten darf. Eine Anfang 2013 publizierte Verordnung war bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zur Zweitwohnungsinitiative gültig und sorgte für Klarheit im Markt. Seit dem 1. Januar 2016 ist das Bundesgesetz über Zweitwohnungen (Zweitwohnungsgesetz ZWG) definitiv in  Kraft  und regelt  den künftigen Bau von Zweitwohnungen. Zu den betroffenen Gemeinden, also Ortschaften mit einem Zweitwohnungsanteil von mehr als 20 Prozent, zählen praktisch alle touristischen Regionen in den Kantonen Bern, Graubünden, Tessin, Waadt und Wallis.

Übergangsbestimmungen führten zu Bauboom 

Bis zum 31.12.2012 durften Zweitwohnungen noch nach altem Recht bewilligt werden, was zu einen markanten Anstieg der Baugesuche zwischen März und Dezember 2012 führte und einen regelrechten Bauboom auslöste. Theoretisch hätte bei allen bewilligten Bauten innerhalb von zwölf Monaten (mit einmaliger Verlängerung von 24 Monaten) der Baustart erfolgen sollen. Da aber in vielen Gemeinden Ausnahmeregelungen eingeführt waren, war die Neubautätigkeit auch noch Jahre danach auf gutem Niveau. Gleichzeitig ist es unter der neuen Regelung weiterhin möglich, das Angebot unter bestimmten Voraussetzungen auszuweiten. Dazu zählen a) bestehende Gebäude mit Zweitwohnungsflächen können unterteilt oder um bis zu  30% erweitert werden (zulässig ist Erweiterung oder Unterteilung), b) touristisch bewirtschaftete Wohnungen, c) Wohnungen in strukturierten Beherbergungsbetrieben, d) Wohnungen in geschützten oder ortsbildprägenden Bauten.  

Aus Angebotsüberhang wurde Angebotsknappheit 

Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage geriet durch den Bauboom von 2012 bis 2017 ins Ungleichgewicht. Gleichzeitig war eine heterogene Entwicklung festzustellen, weil die Absorptionsfähigkeit der verschiedenen Teilmärkte divergierte. Während in der Region Davos/Klosters und dem Engadin ein deutlicher Übergang entstand, waren die Auswirkungen in Arosa und der Lenzerheide, aber auch in Flims-Laax weit geringer. Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass in gewissen Regionen grössere Projekte mit mehr Wohneinheiten entstanden, wohingegen an anderen Orten eher kleinere Mehrfamilienhäuser realisiert wurden. Zudem ist 2014/15 der EUR-/CHF-Kurs nochmals stark unter Druck geraten, was sich auch auf den Immobilienmarkt der Topstandorte wie beispielsweise St. Moritz oder Klosters auswirkte. Andere Regionen, die weniger abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung Europas waren, profitierten von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Schweizer Gästen und von neuen und attraktiven touristischen  Angeboten. Nach 2015 kamen kaum mehr weitere Neubauten auf den Markt, was dazu führte, dass sich das Angebot laufend reduzierte. Seit 2018 erkennen wir einen Rückgang der Leerstände und eine wieder ansteigende Preisentwicklung. Die Finanzierung von Zweitwohnungen ist durch die Zinssituation sehr attraktiv – lieber das Eigenkapital in ein Ferienobjekt stecken, als bei der Bank Minuszinsen bezahlen.

Begünstigt durch die deutlich gestiegene Nachfrage während der Covid-Pandemie haben sich die Angebotsquoten in allen Tourismusregionen deutlich reduziert und liegen heute so tief wie noch nie. Vielerorts gibt es kaum mehr Wohnungen oder Häuser zu kaufen.

Kaufinteressierte suchen bei Immobilien eine gute Erreichbarkeit, eine passende Infrastruktur sowie eine intakte Landschaft.

Preise bleiben hoch und steigen weiter an 

Einfamilienhäuser in attraktiven Berggemeinden sind und bleiben gesucht. Deshalb werden vielerorts Spitzenpreise für diese Objektkategorie erzielt, die nun bei absoluten Höchstwerten liegen. Ähnlich ist es bei raren Luxusobjekten, die weiterhin auf hohe Nachfrage stossen. Im Bereich der Ferienwohnungen, also der  klassischen Zweitwohnung, war die Preisentwicklung bis zum Beginn der Covid-Pandemie 2020 regional unterschiedlich. Seit sich nun aber vielerorts die Angebotsknappheit eingestellt hat, erhöhen sich die Preise konstant und in vergleichbarem prozentualen Ausmass. Das fehlende Angebot hat zudem auch die Vermarktungszeit deutlich reduziert. Festzustellen ist, dass nicht nur die Zweitwohnungsinitiative per se entscheidend war für die Preisentwicklung, sondern die auf vielen Mikrofaktoren beruhende Attraktivität einer Gemeinde. So mauserte sich die Lenzerheide in den letzten Jahren nach St. Moritz zur zweitteuersten Ferienregion in Graubünden (siehe Exkurs Arosa-Lenzerheide).  

Wirtschaftslage in Europa verändert Gästemix  

Der Anteil von ausländischen Käufern ist in den Bergen seit mehreren Jahren rückläufig. Vor allem potenzielle Käufer aus Europa sahen sich seit 2011 mit mehreren  belastenden Faktoren konfrontiert. Einerseits die Euro-Krise  und die damit verbundene Aufwertung des Schweizer Frankens, andererseits die wirtschaftliche Schwäche in Italien und Frankreich sowie neue steuerliche Rahmenbedingungen im Ausland. Insgesamt haben die Ferienmärkte diese negativen Faktoren und die damit verbundene Aufwertung der ausländischen Konkurrenz-Destinationen wie Österreich durch die gestiegene Inlandsnachfrage kompensiert.

Bewirtschaftete Zweitwohnungen/Parahotellerie ergänzt Angebot  

Touristisch bewirtschaftete Wohnungen sind teilweise von der Beschränkungsklausel befreit. Unter diese Kategorie fallen insbesondere Objekte, die nicht individuell auf die persönlichen Bedürfnisse des Eigentümers zugeschnitten sind und welche im Rahmen eines strukturierten Beherbergungsbetriebs zur kurzfristigen Vermietung angeboten werden. Ein Bundesgerichtsurteil von 2019 hat präzisiert, dass zwischen dem Beherbergungsbetrieb und der zur Vermietung angebotenen Liegenschaft eine räumliche Nähe für einen einheitlichen Betrieb vorausgesetzt wird. Ein Bewirtschaftungsvetrag mit einem Hotel alleine genügt nicht. Der Markt für bewirtschaftete Zweitwohnungen mit Vermietungszwang war bis dato klein und in gewissen Regionen gar nicht vorhanden. Das Reiseverhalten der «Generation X» und der «Millenmials» ist im Vergleich zum traditionellen Ferienwohnungskäufer unterschiedlich und dürfte diese temporäre Wohnform begünstigen. Weiter hat die Angebotsknappheit von altrechtlichen Zweitwohnungen die bewirtschafteten Wohnungen in den Fokus von Käufern gebracht und wir erkennen heute durchaus eine Nachfrage für solche Produkte an Top-Destinationen. Für eine Beurteilung der Preis- und Nachfrageentwicklung auf dem etablierten Ferienwohnungsmarkt ist es noch zu früh, wir sehen aber durchaus einen positive Trend für solche Angebote, sofern diese attraktiv ausgestaltet sind. Und weiterhin gilt: Oberste Priorität haben die Positionierung und touristische Attraktivität einer Region, in allen Segmenten. 

Fazit: Ferienwohnungen bleiben en vogue – trotz,  oder gerade wegen, der Zweitwohnungsinitiative 

Der Ferienwohnungsmarkt bietet seit der Annahme der Zweitwohnungsinitiative die gewünschte Klarheit  und Rechtssicherheit. Wenn man über den Zweitwohnungsmarkt spricht, muss jede Ferienregion individuell betrachtet werden. Gleichwohl wird die Nachfrage nach Zweitwohnungen in Tourismusdestinationen ein generelles Bedürfnis bleiben. Kaufinteressierte suchen heute eine gute Erreichbarkeit, für ihre Bedürfnisse passende Infrastrukturen und Angebote sowie eine intakte Landschaft. Nicht zu unterschätzen und beinahe wichtiger sind aber auch Faktoren wie die allgemeine Wirtschaftslage, das Wohlstandsniveau, das Zins- respektive Refinanzierungsniveau und die psychologische Erwartungshaltung an die Zukunft. Die Ferienliegenschaft ist ein Luxusobjekt und wird sich nur gegönnt, wenn das Umfeld es zulässt. 

Ausbau des touristischen Angebots zeigt positive Wirkung 
Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative hielt Arosa und Lenzerheide nicht auf, in die Zukunft als Tourismuszentrum zu investieren. Seit die 2013/14 gebaute Urdenbahn die beiden Skiregionen verbindet, verfügt Arosa-Lenzerheide über die grösste zusammenhängende Wintersportarena Graubündens mit über 225 Pistenkilometern. Heute gehört sie zu den beliebtesten Winterferienregionen der Schweiz. Biathlon, Schneeschuhlaufen, Schlitteln, Curling, Rodeln im Winter und im Sommer Bärenpark, Mountain-, Bike- und Seilparks: Die regionalen Freizeit- und Eventangebote wurden stetig ausgebaut. 2017/2018 schrieben die Bergbahnen wieder schwarze Zahlen und auch die Logiernächte haben in den letzten Jahren laufend und kontinuierlich zugenommen.